Christian Suhr, Einzelmandatierter für DIE LINKE
Gemeinderat Hude, Ratssitzung vom 15. Dezember 2022
zum Haushalt
In einem allgemeinen Vorwort zum Haushalt habe ich Kritik geäußert zum zu niedrigen Gewerbesteuerhebesatz, wie die hohen Immobilienpreise für die Gemeinde mit der Grundsteuer B mehr Einnahmen bedeuten, aber auch begrüßt habe ich unseren Einsatz fürs Freibad, wo viele Kommunen oftmals eher den Rotstift ansetzen, sowie die Ausbildungsoffensive seitens der Verwaltung im Sozialbereich. Mir war wichtig zu erwähnen, daß ich meine folgende Kritik nicht als Kritik am Handwerklichen zu verstehen wissen will, sondern als Kritik an den politischen Zielsetzungen, den „strategischen Punkten“, wie es ein Vorredner der CDU zuvor in seiner Haushaltsrede angesprochen hat.
Nachstehend meine eigentliche „Haushaltsrede“. Als Einzelmandatierter habe ich im Gegensatz zu Fraktionen keine 10 Minuten Redezeit für die Haushaltsrede, sondern nur 2 x 3 Minuten Redezeit zum Thema laut Geschäftsordnung, die ich en bloc genommen hatte.
Es waren auch einst Holländer, die das Land hier urbar gemacht haben wie auch meine Familie. Einen größeren Bevölkerungszuwachs gab es immer mit Migration wie mit Aufnahme der Geflüchteten aus Regionen wie Schlesien nach dem Krieg. In den Siebzigern waren es Gastarbeiter und ihre Familien. Zuletzt die Geflüchteten 2015 bis zu den Menschen aus der Ukraine heute. Doch zu einer Kultur ist das Willkommen hier nie geworden. Wir haben nicht genug Platz für Solidarität geschaffen; unsere Verwaltung muß nach SGB II Anerkannte auffordern, die eigene Flüchtlingsunterkunft für die Nächsten zu räumen und sich woanders was zu suchen.
Mit der Bahnlinie Bremen – Oldenburg hat Hude der Gemeinde Berne den Rang abgelaufen. Zahlreiche Pendler*innen bringen ihre Kaufkraft nach Hude. Doch Hude wurde zu einer Schlafstadt statt zu einem Ort der vielfältigen Teilhabe und des gegenseitigen Austausches. Hude (Oldb), der Vorort.
Wir leben seit Jahrzehnten von der Subtanz dessen, was unsere Großeltern, unsere Mütter und Väter einst erbaut haben, unsere Kinder gehen in marode Kitas und Schulen, und wir wundern uns jetzt, warum so vieles auseinanderfällt, saniert und neu gebaut werden muß.
Mannigfaltigen Handwerksbetrieben, Dienstleistungsunternehmen und Einzelhändlern im Ortskern folgten mit Unterstützung der Politik große Ketten, Popup-Stores und Leerstand, während die Eigentümer die Häuser teilweise verfallen lassen haben, und das, obwohl die Parkstraße überquellt vor Autos und Parkplätzen, an mangelnder Frequentierung kann’s da nicht liegen.
Eine Kastanie an der Königstraße träumte einst von einem Hude zum Malen schön, während sie noch um die Bäume trauerte, die in alten Bebauungsplänen noch als zu erhalten eingezeichnet waren.
Wir bauen, ohne zu fragen, wie teuer es am Ende für die Menschen wird. Teilhabe heißt heute nur noch, ob man sich Hude leisten kann. Statt Wohnraum vor allem für unsere Interessentenliste, von der auch ein Vorredner gesprochen hat, zu schaffen, geht es zunehmend nur noch auf den freien Markt.
Der zukünftige Bedarf an Krippen, Kitas und Schulen kommt gern so überraschend wie Weihnachten. Wer konnte schon ahnen, daß drei Jahre noch der Geburt Kinder jetzt in die Kita müssen. Stichwort Container.
Bei sozialem Wohnungsbau heißt es morgen, morgen, nur nicht heute. Daß es ohne die Politik kein Bauland gibt, höre ich als Verhandlungsargument selten. Wenn jemand für Grünland Mondpreise verlangt, soll er doch Schafe züchten.
Wir werden als Gesellschaft zunehmend älter. Doch Pflege lohnt sich nur ab Pflegestufe 2 aufwärts. Maßnahmen gegen den demographischen Wandel heißt übrigens nicht, daß man noch mehr Wohnraum für zuziehende Ältere schafft und es verschärft, siehe Leitbildbezug zur Verzinkerei (Anm.: Planung Wohnhöfe). Es heißt, daß man zusehen muß, wie und wo man sich gesellschaftlich verjüngen kann.
ISEK (Anm.: integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, Parkstraße Hude) wurde angesprochen. Wir wollen Eigentümern an der Parkstraße öffentliche Gelder bereitstellen und diesen auch größer dimensionierte Wohngebäude ermöglichen. Aber was haben Einwohner*innen davon, wenn da große Wohnhäuser in den Ortskern kommen? Wo ist der Gegenwert für die Öffentlichkeit, bekommen wir wenigstens die Erdgeschoßflächen für Räume wie Jugendcafè und – dringend benötigt – für die VHS oder um diese Flächen selbst fair als Gewerbeflächen zu verpachten (und im Falle des nächsten Lockdowns auch auf Pacht zu verzichten)?
Aus einem Kulturhof mit hohem Anteil an Sozialarbeit soll ein Veranstaltungshaus mit gut anmietbaren großzügigen Räumlichkeiten für Konzerte und Co. werden. Doch Sozialarbeit ist was anderes als Kulturarbeit. Früher hieß er übrigens noch Jugendzentrum.
Wir vertrauen auf private Investoren beim Wohnungsbau und wundern uns, daß allein dadurch der Bodenrichtwert mal eben um 55 Euro/m² gestiegen ist. Aber wir wollen diese Spekulanten nicht mal angemessen beteiligen an der dringend benötigten sozialen Infrastruktur. Schauen Sie doch mal in den Leitbildbezug vom Antrag des TV Hude zur geplanten Reha-Erweiterung (Anm.: dort steht wortwörtlich, daß es sich um soziale Infrastruktur handelt)! Sportstätten, Feuerwehren, öffentliche Plätze, Rathaus und Co. sind soziale Infrastruktur und deren Kosten können bei Neubau oder Erweiterung anteilig umgelegt werden auf Baugebiete. Bei knappen Kassen und mit Blick auf die Bodenwertsteigerung durch Bebauung mehr als angemessen, sollte man meinen … wenn wir schon keine Eigenentwicklung wollen und auf Privatinvestoren vertrauen …
Noch einer zum Nachdenken: Inklusion heißt bei uns, die Betroffenen bekommen einen extra Raum.
Es findet sich immer noch ein Gutachten, das erstellt werden muß, noch ein Experte, der befragt werden muß, noch ein Arbeitskreis, der einberufen werden muß, wenn es um Fragen des Sozialen und des Klima- und Umweltschutzes geht. Doch wirklich Geld in die Hand nehmen und aktiv handeln wird womöglich erst die nächste Generation, wenn es dann nicht schon zu spät ist.
Wir werden uns wundern, warum Ehrenamtliche bei der Tafel, die heute um die 70 Jahre alt sind, nicht auch mit 80 dort noch stehen wollen.
Digitalisierung und mehr Transparenz der Ratsarbeit wird es womöglich nie geben, Gründe dagegen finden sich immer. Irgendwann gehen nur noch diejenigen wählen, die im Rat sitzen wollen …
Ab 2040 werden wir uns fragen, warum keine Berufsstarter und Migrant*innen in die teuren Wohnungen einziehen wollen, die die Alten der Babyboomer-Generation hinterlassen haben.
Während sogar Ost- und Süddeutschland zunehmend austrocknen, werden wir uns ärgern, warum wir unsere Landwirtschaft degradiert haben zu Bauland statt die Versorgungssicherheit in den Blick zu nehmen.
Hinweis Vorsitzende: Zum Ende kommen (Kursives blieb unerwähnt)
Und mit Städten wie Bremen und Oldenburg werden wir uns um Trinkwasser aus Großenkneten streiten.
In der Weihnachtsgeschichte ist Ebenezer Scrooge aufgewacht …
Hude macht zunehmend einen auf Vorstadt à la Desperate Housewives. Doch es bräuchte in Teilen mehr Unsere kleine Farm. Weniger städtische Anonymität, mehr ländlicher Zusammenhalt. Weniger Profitstreben, mehr Wertschätzung … insbesondere mit Blick auf die Zeiten, die vor uns liegen.
Als Einzelmandatierter schätze ich die Freiheit, daß ich jederzeit ja sagen kann, wenn ich ja sagen will, nein sagen kann, wenn ich nein sagen will. Ein Haushalt ist vor allem ein politisches Zeichen, egal, wie gut er handwerklich dargestellt wurde, daher von mir ein Nein gegen das politische Weiter so!
Frohe Weihnachten und Frieden auf Erden!