Die Linke bleibt auf dem klaren Standpunkt, daß eine weitere Weservertiefung keinen volkswirtschaftlichen Vorteil bringen wird, sondern vor allem mit großen ökologischen und ökonomischen Folgekosten für die ganze Region verbunden wäre.
Das Projekt liegt schon seit Jahren in der Schublade und hat sich mittlerweile überholt, auch weil sich die wirtschaftlichen und logistischen Rahmenbedingungen massiv verändert haben und weiter verändern werden.
Die Weservertiefung sehen wir als PR-Gag, um international noch Anerkennung zu erfahren, Ausschreibungen zu gewinnen und Profit über die Maximierung der Frachtkontingente zu generieren. Dabei sind die Futtermittelimporte mit der zurückgehenden Tierhaltung rückläufig. Im Zuge der „Seidenstraße“ wird Güterverkehr zunehmend auf die Bahn verlagert, während Transporte aus Südamerika u.a. in Rotterdam angelandet werden. Der weitere Feeder-Verkehr bricht den kleineren Häfen weg; doch das gewonnene Volumen durch eine zusätzliche Weservertiefung wäre vernachlässigbar im internationalen Wettbewerb, wenn dem gegenüber Rotterdam als Tiefwasserhafen über 24 m Tiefgang verfügt und in Wilhelmshaven der Jade-Weser-Port als Tiefwasserhafen noch Kapazitäten hat.
Nüchtern betrachtet sprechen sehr klare wirtschaftliche Gründe bereits gegen eine weitere Weservertiefung. So bliebe unseres Erachtens auch nach einer Vertiefung eine ca. 25 km lange Passage von 220 m für einen Begegnungsverkehr von großen Frachtern ein Nadelöhr. Mit weniger Strömungsgeschwindigkeit kann man tiefer abladen und hat längere Zeitfenster für den Tidefahrplan. Doch die Strömungsgeschwindigkeit hat sich nach der Vertiefung 1998 bereits stark erhöht, so daß die Schiffahrt zunehmend gegen die Tide ankämpfen muß. Bei den angesprochenen Baukosten werden die Kosten für die Umsetzung des Generalplans Wesermarsch wie auch die zu erwartenden laufenden Kosten nicht bzw. nur ungenügend berücksichtigt. Allein das fortlaufende Ausbaggern des Schlicks ist eine massive finanzielle Belastung. Dabei wurde schon der Ausbau Süd aufgegeben trotz vermeintlich guter Kosten-Nutzen-Rechnung.
Auch das Versprechen von mehr Arbeitsplätzen kann unseres Erachtens nicht erfüllt werden, wenn Hafenbetreiber bereits in der Vergangenheit Kosteneinsparungen durch Automatisierung erzielt haben, gleichzeitig jedoch Fischerei und Naherholung mit der zunehmenden Flußvertiefung vor dem Aus stehen bis hin zur Landwirtschaft, die bereits zunehmend mit Versalzung zu kämpfen hat. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar groß, daß mit tieferer Weser und mehr Hafenbetrieb die Automatisierung umso lohnenswerter für den Hafenbetreiber erscheint. Und gerade im Bereich Hafenlogistik ist nahezu Vollautomatisierung möglich.
Die Linke sieht in der weiteren Weservertiefung eine Salamitaktik. Dabei ist der aktuelle Zustand der Weser nach bereits mehreren Vertiefungen in der Vergangenheit schon heute als unzureichend zu bewerten. Doch dieser bereits schlechtere Zustand wird von Befürwortern der weiteren Vertiefung als Referenzpunkt betrachtet, so daß weitere Folgen weniger dramatisch scheinen. Zu beobachten ist bereits heute eine Verschlickung in Meer, Fluß und Häfen, dem nur durch permanentes kostenintensives Ausbaggern begegnet werden kann, siehe Ems und Elbe.
Wir sind der Überzeugung, es gibt nicht nur „ein bißchen Weservertiefung“, man kann Unterweser und Außenweser auch nicht ökologisch voneinander trennen! Die eigentliche Frage ist doch: Müssen sich Wasserstraßen an die Schiffe anpassen oder nicht viel eher die Schiffahrt an die Wasserstraßen?
Ökologisch sind die Auswirkungen fatal. Die Brackwassergrenze wird sich bei einer Vertiefung voraussichtlich bis zu 20 Kilometer weiter ins Landesinnere bewegen, das Mehr an Salz führt zu zerstörten Lebensräumen und Fischsterben, zunehmender Korrosion und fehlender Bewässerungsmöglichkeit für die Landwirtschaft. Strömungsgeschwindigkeit und Flut werden deutlich stärker, die Probleme mit Sedimenten und Hochwasser deutlich zunehmen. So ist schon bei der Ems zu beobachten, daß diese nach der Vertiefung ökologisch faktisch tot ist.
Die Weser ist schützenswert als Lebensader unserer Region. Sie ist Teil unserer historischen Landeskultur und Heimat, insbesondere auch mit Blick auf Freizeit, Naherholung und Tourismus. Dabei diente sie seit jeher verschiedenen wirtschaftlichen Interessen: von der Fischerei mit ihren Kuttern über die Zuwässerung der Felder bis hin zu Schiffahrt und Transport. Ebenso kam und kommt ihr eine bedeutsame Funktion beim Küsten- und Hochwasserschutz zu als Puffer, wie es sich auch im Winter 2023/24 gezeigt hat zur Entlastung der Hunte.
Mehr Hanse-Mentalität wagen, Zusammenarbeit der Hafenstädte statt Überbietungswettkampf: Wir kommen zum Schluss, daß der vermeintlichen Bedeutungslosigkeit einzelner Häfen wie Brake und Bremerhaven besser begegnet werden könnte durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit verschiedener Hafenanlagen, zum Beispiel durch die Stärkung von Wilhelmshaven als Tiefwasserhafen. Hier ist ganz klar ein Wettbewerb von Niedersachsen, Bremen und Hamburg zu sehen, sogar ein Wettbewerb einzelner Städte gegeneinander. Ein hoffnungsloser Konkurrenzkampf um den internationalen Warenverkehr zu Lasten der Flüsse unter Mißachtung der Folgen, so könnte man es zusammenfassen.
Die letzte Klage gegen die Weservertiefung war erfolgreich. Gegen die weitere Weservertiefung sprechen sich unseres Wissens Landwirte der Wesermarsch genauso aus wie Küsten- und Kutterfischer, die Binnenschiffahrt, kleine Hafenanlagen, Werftbetreiber und Umweltverbände.
Wir sagen: „Nein!“ Nein gegen eine weitere Weservertiefung, gegen die kurzsichtigen Profitbestrebungen einzelner Unternehmen auf Kosten von Wirtschaft, Natur, Umwelt- und Katastrophenschutz. Nein gegen explodierende Kosten auf Seiten der Steuerzahler*innen zur Profitmaximierung einiger weniger Unternehmen und Investoren.
Das Thema Weservertiefung hat sich überholt. Wir müssen viel mehr über Renaturierung, Attraktivierung und Klimaresilienz sprechen, Flüsse nicht mehr nur als Transportwege betrachten! Lieferketten und Logistik müssen neu gedacht werden unter Einbeziehung von Binnenschiffahrt und mehr Güterverkehr auf der Schiene, denn nur so entsteht auch eine starke nachhaltige Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen!