Wer die aktuellen Diskussionen in der Bundesregierung und Gesellschaft verfolgt, wird schnell mit dem Scheinargument konfrontiert, daß Diesel ja umweltschädlich wäre und deswegen solche umweltschädlichen Subventionen auch gestrichen werden sollten. Doch auch wenn man diese Subventionen streicht, müssen Felder weiterhin bestellt werden. Schon jetzt gibt es das Spar-Argument, daß man Kraftstoff reduzieren könne, wenn man auf den Pflug verzichte und dafür mehr Glyphosat und Co. einsetze. Das wird sich noch verschärfen, wenn Agrardiesel deutlich teurer würde.
Der Bauernverband selbst hat es bestätigt, mehr Glyphosat gleich weniger Pflug und Kraftstoff:
https://www.bauernverband-mv.de/ja-zu-glyphosat-spart-75-millionen-liter-diesel-allein-in-mv
Pflügen kostet viel mehr Kraft und damit Kraftstoff als die pfluglose oberflächliche Bodenbearbeitung. Die pfluglose Bodenbearbeitung hingegen braucht mehr Pflanzenschutzmittel, weil die mechanische tiefgrundige Bodenbearbeitung ohne Pflug fehlt. Salopp gesagt: Wo beim Pflug das Unkraut einfach untergebuddelt würde, muß es bei pfluglos weggespritzt werden (und irgendwann lässt es sich nicht mehr wegspritzen, zum Thema Resistenzentwicklung siehe unten).
Daß bei der Diskussion in der Bundesregierung gerade bewußt die Förderung für Agrardiesel abgeschafft werden soll, hat ein Geschmäckle von Lobbyismus. Denn gerade Landhandel und Pflanzenschutzmittelkonzerne dürften es begrüßen, wenn der Pflug aus Kostengründen immer weiter zurückgedrängt würde und damit der Einsatz und Handel mit Pflanzenschutzmitteln und perspektivisch auch Agro-Gentechnik im Saatgut zunimmt?
Ich bin weder Wissenschaftler noch Bauer, doch es hilft, die Erkenntnis von beiden Seiten auch mal zusammenzutragen und möglichst objektiv zu betrachten.
Gerade in der Landwirtschaft kommt in Fragen der Bodenbearbeitung auch der Aspekt der Kohlenstoffbindung hinzu. Arbeitet man tiefgrundig und beachtet 60 cm Bodentiefe oder nur oberflächlich und beachtet lediglich die oberen 20 cm?
Die Wissenschaft liefert hier auch die Erkenntnis, dass deutlich weniger Kohlenstoff (Humus) im Boden zu finden ist nach langjährig pflugloser Bodenbearbeitung.
https://core.ac.uk/download/pdf/300328895.pdf
Der Humus wird bei pfluglosen Bearbeitungsmethoden z.T. massiv abgebaut, was enorme Mengen Treibhausgase freisetzt, weit mehr als man je bei Diesel einsparen könnte.
Schon jetzt haben wir Einbußen, seit mit Aufkommen der Spaltböden der Kohlenstoffanteil im Wirtschaftsdünger massiv zurückgegangen ist im Vergleich zu Stallmist. Anmerkung: Humus braucht 10 Teile Kohlenstoff zu 1 Teil Stickstoff.
Aus der Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (s. Tabelle 3):
https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/p_20004.pdf
Pflugloser Ackerbau bringt mehr Probleme als er hilft (abhängig von den Böden):
1. Weit mehr Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat und mit zunehmendem Resistenzdruck immer Härteres, wo Unkraut und Co. sonst einfach umgepflügt worden wäre.
https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/pfluglos-ackern-bringt-nichts-neue-fakten-587321
2. Phytosanitäre Probleme (Mäuse, Insekten, Pilzbefall etc.), da die Unterkrume ungestört bleibt.
https://www.topagrar.com/suedplus/news/wenn-engerlinge-zur-plage-werden-10344443.html
3. Humus-Abbau (Unterkrume verhungert), weil man Wirtschaftsdünger etc. nur noch oberflächlich aufbringt.
https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/pfluglos-ackern-bringt-nichts-ausser-heftige-diskussionen-587554
4. Schichtbildung, sogenannte Stratifizierung. Da Kohlenstoff und auch Phosphat im Boden nicht wandern, führt pflugloser Ackerbau dazu, dass alles nur oberflächlich verbleibt, oxididiert oder sogar nach Regenereignissen fortgespült wird.
Siehe hier auf der Seite vom BMEL:
https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/bodenschutz/bodennutzung-bearbeitungsverfahren.html
Oder hier im Zuge der Glyphosat-Debatte vom BUND:
https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/glyphosat-ist-weder-boden-noch-klimaschutzmittel/
Und hier zum Thema Phosphatdynamik im Boden:
https://www.tll.de/www/daten/veranstaltungen/materialien/ackerbauforum/abf11_05f.pdf
Bei pfluglos schaut man sich nur die oberen Zentimeter an, sehen ja gut aus, viele Regenwürmer, dunkle Erde … die Studien mit ihren 20 cm Bodentiefe und wie schön kohlenstoffreich es wäre etc., wenn man da mit der Hand reingreife … oder daß sich dort ja viele Regenwürmer tummeln würden, was ja ein gutes Zeichen wäre für den Boden. Aber alles nur Show!
Man sollte immer mindestens 60 cm Bodentiefe betrachten! Denn gerade in Trockenphasen werden die Pflanzen von unten versorgt (werden müssen).
Vergleiche auch Feuchtigkeit im Gesamtboden beim Dürremonitor.
Und ja, nur Pflügen wäre mitunter auch humuszerstörend, weil zu oft Erosion in den Unterboden käme, doch der hohe Kraftstoffeinsatz beim Pflügen ist eine finanzielle Frage und darf nicht am Geld scheitern, der Mix macht’s am Ende.
Während der Trockenperioden müssen Pflanzen von unten versorgt werden aus dem in der Unterkrume gespeicherten Wasser (Kapillarwirkung etc.). Aber nur, wenn dort Humus ist, kann in der Unterkrume auch Wasser gespeichert werden.
Oberflächlich gibt es massive Erosionseffekte (Wind, Oberflächenwasser) und vor allem Oxidationseffekte. Mit pfluglos nur oberflächlich Wirtschaftsdünger aufbringen, bringt nicht wirklich was, auch wenn man es bei regenerativer Landwirtschaft versucht durch einen sehr hohen Anteil an Gründündung (vom Kohlenstoff bleibt kaum was als Humus zurück … vom Winde verweht und wegoxidiert sozusagen, zumal auch anaerobe Verhältnisse an der Oberfläche fehlen).
Im Osten des Landes muss bereits jetzt verstärkt mit Wüstenbildung gerechnet werden:
https://www.topagrar.com/acker/news/duerre-2019-wuestenbildung-in-brandenburg-11526743.html
Während Bodendegradation allgemein ein Thema ist, welches noch viel zu selten in den Blick genommen wird, bei uns wie auch international. Vom Wassermanagement ganz zu schweigen.
Der angesprochene Resistenzdruck gegenüber Pflanzenschutzmitteln führt auch in eine Sackgasse. Wir dürfen nicht immer noch mehr und noch härtere Gifte nutzen im Ackerbau, egal ob chemisch oder gentechnisch! Die mechanische Bodenbearbeitung ist deutlich besser vor Resistenzdruck gefeit.
Agro-Gentechnik und -Chemie werden keine dauerhafte Lösung sein, der Resistenzdruck bei Herbiziden ist bereits massiv zu sehen, gerade auch in Ländern wie den USA, wo es schon lange so praktiziert wurde. Doch auch bei Insekten kommt es zu Resistenzentwicklung z.B. gegen Bt. (Vergleiche Resistenzentwicklung bei Antibiotika, gleiches Problem.)
Siehe die Zunahme von Pflanzenschutzmitteln beim Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut:
https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/usa-7-mehr-pflanzenschutzmittel-durch-gentechnik-9587054.html
Ohne Wasser wächst nichts (Stichwort KohlenWASSERstoffverbindungen). Es braucht langfristig und für eine kohlenstoffreiche speicherstarke Unterkrume die wendende Bodenbearbeitung, hin und wieder Kohlenstoff in die Unterkrume bringen; denn das bißchen verrottendes Wurzelwerk bei pfluglosem Ackerbau reicht i.d.R. bei weitem nicht. Der natürliche Humusaufbau kann eine intensive Bewirtschaftung nicht kompensieren. Einfach formuliert: Wo kein Kohlenstoff ist, kann auch kein Kohlenstoff zu Humus umgesetzt werden.
Der Mix wird’s am Ende sein, Boden mit Kohlenstoff tiefgrundig anreichern und kurz auflockern, dann wieder länger pfluglos bewirtschaften und in Ruhe lassen, damit das Bodenleben (Mikroben, Würmer etc.) sich erholt und Kohlenstoff zu Humus umgewandelt werden kann. Abhängig von der jeweiligen Beschaffenheit der Böden.
Wie beim Brotteig, erst mischen, dann gehen lassen. Und zum Mischen braucht es Power, sprich Kraftstoff.
Die Subventionierung von Agrardiesel kostet Steuergelder.
Doch was wäre die wirtschaftliche Folge, wenn man die Subventionierung aufkündigt? Um resistenten Unkräutern etc. Herr zu werden, bräuchte es immer mehr und härtere Pflanzenschutzmittel und/oder es würde zu gentechnisch verändertem Saatgut gegriffen werden.
Beides unterliegt häufig Patenten. Die Kosten für die Patente müssen die Bäuerinnen und Bauern zahlen bei der Anschaffung, so wird Ackerbau immer teurer, am Ende zahlen wir Verbraucher*innen diese Mehrkosten für Patente und/oder das Höfesterben wird noch beschleunigt, weil die kleinen Betriebe dann gar kein Licht mehr sehen. Die Abhängigkeit von Pflanzenschutzmittel- und Saatgutherstellern würde noch mal deutlich zunehmen.
Anmerkung: Bisher macht es sich durch Glyphosat nicht bemerkbar, da hierfür die Patente ausgelaufen sind. Spannend wird es bei allen weiteren Pflanzenschutzmitteln, wo Patente noch gelten.
Pflügen ist nicht patentiert!
Agrardiesel zu subventionieren hilft vor allem den Betrieben, die einen erhöhten Kraftstoffeinsatz haben, dazu zählen vor allem diejenigen, die noch mit Pflug wirtschaften und damit die Unterkrume auch bearbeiten, allen voran zu nennen sind die ökologisch wirtschaftenden Betriebe. Sollte Agrardiesel nicht mehr gefördert werden, müssen finanzielle Instrumente geschaffen werden, die die mechanische Bodenbearbeitung stärken.
Die Unterkrume ist der Schlüssel, um auch Dürren besser zu überstehen!
Gute Bodenbearbeitung berücksichtigt immer den ganzen Boden. Wenn an klimaschädlichen Subventionen gespart werden soll, dann am Dienstwagenprivileg oder bei der Kerosinsteuer. Da gibt es noch genug andere Baustellen, aber bitte nicht bei der Lebensmittelproduktion!
Die Land- und Forstwirtschaft ist der einzige Sektor, der aktiv Kohlenstoff in nennenswertem Umfang binden kann und auch binden muss, um Trockenperioden zu überstehen. Die Landwirtschaft fährt aktuell auf Verschleiß. Es braucht einen Wandel weg vom immer mehr, immer billiger, wachse oder weiche hin zu Klimaresilienz, Wassermanagement, Müllvermeidung, Vielfalt, Bodenschutz!